Oktober 2018: Ein Rückblick der Vorsitzenden Julia Vogel
Weitsicht und Kooperationsbereitschaft waren die Grundvoraussetzungen, die 1972 zum Zusammenschluss zweier alteingesessener und eigentlich konkurrierender Krefelder Vereine führten, nachdem die verschiedenen bis dahin genutzten Naturbäder unbrauchbar wurden. Zusammen war man stark genug, um eine vom Grundwasser unabhängige, moderne Freibad-Schwimmanlage in bester stadtnaher Lage an der Palmstraße zu errichten.
Dabei behielt auch das Traditionsbewusstsein eine wichtige Stimme und so trat zunächst der (jüngere) „Krefelder Schwimm-Klub 1909 e.V.“ (KSK09) dem bereits am 22.7.1893 gegründeten „Krefelder Schwimm-Verein 1893 e.V.“ (KSV93) bei, sodann wurde der Name geändert. Auf diese Weise konnte die „Schwimm-Vereinigung Krefeld 1972 e.V.“ im Juli 2018 ihr 125jähriges Bestehen feiern.
Gegründet worden waren beide Vereine in Folge des bereits im Juni 1890 von der damals sehr wohlhabenden Stadt „Crefeld“ für etwa eine Million Reichsmark gebauten ersten Hallenbades. Schwimmen konnten zu diesem Zeitpunkt nur wenige Menschen in der Stadt. Jedoch wurde die extrem großzügige Anlage mit Herren- und Damenschwimmhalle, römisch-irischem Bad, Heißluft-, Wannen- und Brausebädern schnell Anziehungspunkt für sportlich interessierte Bürger. Bereits kurz nach der Eröffnung gründete eine Gruppe wohlsituierter Herren den KSV 93 mit dem Ziel, „das Schwimmen, als Mittel zur Kräftigung des Körpers und des Geistes zu pflegen, zu üben und volkstümlich zu machen“. Im Zuge dessen wurden nicht nur regelmäßige Übungsabende (immer mit anschließendem geselligen Beisammensein) veranstaltet, sondern auch der soziale Aspekt war immer im Fokus: jugendlichen Schülern weniger betuchter Bevölkerungsschichten wurden Badekostüme angeschafft und Schwimmkurse ermöglicht. Große Schwimmveranstaltungen mit gemischtem, also sportlichem ebenso wie künstlerischem Programm durchgeführt. Diese im besten Sinne als gesellschaftliche Veranstaltungen zu sehenden Schwimmfeste erfreuten sich großen Zuschauerandrangs und wurden nicht nur stadtintern sondern auch von Seiten des 1886 gegründeten Deutschen Schwimmverbandes als sehr niveauvoll gelobt.
Der Schwerpunkt des kurze Zeit später gegründeten KSK 09 lag vielleicht etwas stärker auf der rein sportlichen Seite, aus seinen Reihen ist Martha (Engfeld-) Genenger, die 1936 bei den Olympischen Spielen die Silbermedaille in 200m Brust hervorgegangen, Wiltrud Urselmann (-Haferkamp), die 1960 in Rom die olympische Silbermedaille in derselben Disziplin erreichte, hat in beiden Vereinen trainiert.
Während des ersten Weltkriegs wurde das Stadtbad geschlossen; in dieser Zeit schlossen sich zum ersten Mal alle Krefelder Schwimmvereine zusammen und überstanden die Durststrecke, indem sie an den Stadt nah gelegenen Standorten „Lunkebeins“ und „Holthausens“ Kull gemeinschaftliche Sommerbadeanstalten pflegten, zu denen auch von den Vereinen gebaute Wasserballfelder und Sprunganlagen gehörten. Der KSK09 als damals Krefelds größter Schwimmverein hatte nach dem zweiten Weltkrieg bereits 1946, als alle städtischen Bäder noch in Trümmern lagen, durch Eigenleistung im Strandbad wieder eine wettkampfgerechte 25m Bahn einrichten können.
Die KSV‘ler konnten 1948 von der Stadt ein in den 20er Jahren erbautes und nach dem 2. Weltkrieg nicht weiter bewirtschaftetes Naturbad an der Palmstraße langfristig pachten, wo bald auch ein Gebäude mit Umkleiden und einem Kiosk entstand. Auch dies lag noch am damaligen Stadtrand, aber doch näher zur Stadt und dem als Erholungsgebiet etablierten Stadtwald. Der KSK blieb zunächst an der wesentlich größeren Holthausens Kull, an der sie auch Umkleiden und ein Vereinsheim errichteten. End der 60er Jahren fiel die Nutzung beider Naturbäder dem in der Stadt ständig sinkenden Grundwasserspiegel zum Opfer. Wohl der fortschreitenden Industrialisierung wegen war er um 2 Meter gefallen und man ging damals davon aus, dass dieser Trend sich fortsetzen würde. So verschlammten beide Becken allen Maßnahmen zum Trotz immer weiter. Zwar hatte die Stadt im Jahr 1967 das große Bockumer Badezentrum eröffnet, dessen Nutzung bis heute im Winter unverzichtbar ist, und in dem man sich im Winter auch durchaus „heimisch“ fühlt, jedoch hatte man die Vorzüge eines Freibades, in dem der Verein nicht nur zeitweiser Gast sondern Hausherr war, gewöhnt und wollte sie nicht missen.
Nach dem Zusammenschluss 1972 begannen gemeinsame Planung und Bau, schon 1975 konnte das beheizte Freibad auf dem Erbpachtgelände an der Palmstraße mit einem 50m Schwimmer- und einem Nichtschwimmerbecken eröffnet werden. Wenige Jahre später kamen ein Babybecken und Gebäude für Technik, Verwaltung und Gastronomie hinzu. Seitdem wächst und gedeiht die „SVK 72“. Sie ist inzwischen auf 5000 Mitglieder angewachsen und musste im letzten Jahr bereits Aufnahmestopp und Warteliste einrichten.
Beide Vereine sind glücklich zusammengewachsen. Immerhin noch 41 Mitglieder sind aus der Zeit vor dem Zusammenschluss, also seit mehr als 56 Jahren dabei. Heute wie damals wird das gesellige Miteinander genauso gepflegt wie der Sport und auf diese Weise ist die SVK72 keineswegs nur Zweckverband um ihren Mitgliedern günstige Schwimmgelegenheit zu bieten, sondern lebendiger Teil der Nachbarschaft aus deren unmittelbarer Nähe der Löwenanteil der Mitglieder (zu Fuß oder mit dem Rad) kommt.
Große Schwimmveranstaltungen, wie der „Samt und Seiden Cup“ bei dem alljährlich fast 1000 Schwimmstarts stattfinden oder Wasserballturniere – zuletzt die U14 NRW Endrunde, die unsere Jungs gewannen – können die geübten Logistiker an der Palmstraße nicht schrecken, nur im Winter weicht man weiter ins Bockumer Badezentrum aus. Vor der dortigen Kulisse sind NRW Schwimmmeisterschaften, deutsche Wasserballendrunden oder auch Weltligaspiele – diese zusammen mit anderen Krefelder Vereinen - ausgerichtet worden.
Auch die sportlichen Erfolge können sich sehen lassen: Der Ersten Herrenmannschaft im Wasserball gelang 2006 mit dem für sie heute wieder aktiven Trainer Werner Stratkemper der Aufstieg in die höchste deutsche Spielklasse, der seit dem ununterbrochen angehört. Auf guter Jugendarbeit aufbauend konnte im Jahr 2013 die erste Deutsche Meisterschaft in der U17 Bundesliga, zwei Jahre später auch die Deutsche Meisterschaft in der U19 mit Markus Zilken und Thomas Huber als Trainer errungen werden. Starker Teamgeist wird schon in den jüngsten Jahrgängen mit Trainingslagern und durch engagierte Trainerteams gefördert, was sich immer wieder bei vielen Westdeutschen Meisterschaften auszahlt.
Der Schwerpunkt des Vereins im Schwimmen liegt zunächst auf der Förderung der Schwimmanfänger durch langjährige erfahrene Trainer wie Stephanie Stammen, Manfred Dohmen oder Simone Küppers, die in den Jahren von 1976 bis 2016 Generationen von Seepferdchen „angelernt“ hat. Allen Vereinskindern stehen sommers wie winters kostenfreie Schwimmkurse offen, von dort aus ist der Weg zu den Abzeichen Bronze, Silber und Gold, sowie in die vereinseigenen Schwimmmannschaften dann nicht mehr weit. Die Kooperationen mit der ortsansässigen Bürgerstiftung und der nahegelegenen Kindertagesstätte Pfiffikus zur Schwimmanbahnung runden das Bild in den letzten Jahren ab.
Die harmonische Balance zwischen Breiten- und Wettkampfsport gelingt in der SVK auf diese Weise seit vielen Jahren gut, was vorsichtiger Haushaltsführung ebenso wie transparentem Beckenbelegungsplan und gegenseitiger Rücksichtnahme zu verdanken ist. Die liebevoll gepflegte Anlage, die frisch renovierten Duschen, die zuverlässige Wasserqualität, abgerundet von einer freundlichen Gastronomie mit einer Terrasse, die Sommerabends einer der schönsten Plätze in der Stadt Krefeld ist – all das führt zu einem positiven, geselligen Vereinsleben, und alles das ist die SV Krefeld 72!
Das 125-jährige Jubiläum wurde in guter Vereinstradition ausgiebig gefeiert, ein Festakt mit geladenen Gästen mündete in einen lockeren Mittag mit Live Musik auf der Terrasse, Kindertheater und schließlich- der gesellschaftlich-anspruchsvollen Tradition folgend - in einem Kabarettabend. Der langjährige Vorsitzende Werner Gottschalk genoss den Tag besonders, er war seit Jahren das Gesicht und die Stimme des Vorstands im Verein und in der Stadt, in der er auch politisch sehr aktiv gewesen war. Trotz gesundheitlicher Beeinträchtigung konnte er die Festrede halten und das Jubiläumsheft, das ihm sehr am Herzen lag, vorstellen. Nur wenige Wochen später verstarb er völlig überraschend in Folge einer Krebsoperation.
So ist dieses für die Schwimm Vereinigung Krefeld ein besonders schönes und erfülltes, aber auch ein besonders trauriges Jubiläumsjahr geworden. Zum jubiläumsgemäßem Innehalten und Zurückblicken gehört nun auch die Erinnerung an Werner Gottschalk, der den Verein fast 20 Jahre lang geführt hat. „Ein Verein wie die SVK72 lebt von Mitgliedern, die persönliches Engagement in die Vereinsentwicklung einbringen und von Vorständen, die sich bemühen antizipierend und auch risikobereit richtungsweisende Entscheidungen zu treffen und dann zu tragen.“, so hat er es beim Jubiläum formuliert, vor allem hat er es aber selbst so gelebt. Dem verbliebenen Vorstand bleibt auch die Aufgabe, die mit ihm zusammen geplanten Maßnahmen, die die SVK weiter „up to date“ halten sollen, umzusetzen. Dabei die Balance zu finden zwischen ehrenamtlichem Engagement und angemessenem Rahmen, ist nur eines der Themen auf der Agenda.